Interview mit Kenneth Heyer: „Die GT3 birgt auch viele Gefahren“

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Der GT-Sport erlebt in Deutschland eine Blütezeit. Wachsende Starterzahlen bekräftigen diese Entwicklung. Kenneth Heyer startet seit der Debütsaison im GT Masters. Im Gespräch mit SportsCar-Info wägt er Vor- und Nachteile des GT3-Konzeptes ab und blickt hochgemut in die Zukunft.

Seine sportlichen Anfänge sind im Jugendfußball diverser Profiklubs zu suchen, ehe der Wegberger seine ersten Gehversuche im Kartsport wagte. Mittlerweile ist Kenneth Heyer fester Bestandteil der Grande-Tourisme-Szene und feierte zahlreiche Erfolge in diversen Wettbewerben. Gegenwärtig engagiert sich Heyer primär im GT-Masters-Championat und pilotiert einen Mercedes-Benz für den Wiesbadener Rennstall Heico Motorsport.

Seit dem Debütjahr 2007 Stammpilot in der deutschen GT-Meisterschaft, begutachtet Heyer die frappanten Entwicklungen aus Fahrersicht. Schließlich war es über Dekaden hinweg unmöglich, in Deutschland einen nationalen GT-Wettbewerb ins Leben zu rufen. Nun entfaltet sich eine regelrechte Blütezeit. „Die GT3 kam einfach zum richtigen Zeitpunkt“, urteilt Heyer. Dennoch befasst sich der Mercedes-Schützling kritisch mit dem Konzept: „Die GT3 birgt aber auch viele Gefahren.“ Nichtsdestotrotz erwartet Heyer eine Fortsetzung des positiven Trends.

SportsCar-Info: Kenneth, beim GT-Masters-Gastspiel am Fuße der Nürburg gelang es Dir mit Deinem Kollegen Christiaan Frankenhout, zweimal unter die besten Zehn zu fahren. Damit hast Du die erste Saisonhälfte – mit Ausnahme eines Ausfalls in Zandvoort – erfolgreich abgeschlossen. Welche Bilanz ziehst Du zur Halbzeit? 

Heyer: Die Saison lief sehr schwierig an. Wir haben eine, sagen wir mal, nicht ganz ideale Einstufung gehabt, und mit vier Autos – auch wenn Sie auf zwei Teams aufgeteilt wurden – eine gewisse Zeit benötigt. Einen Alpina zum Beispiel bekommen wir unter den momentanen Vorraussetzungen niemals aus eigener Kraft. Unterm Strich haben wir jetzt das eigene zur Verfügung stehende Paket im Griff. 

SportsCar-Info: Mit dem Auftritt in Zeltweg beginnt die zweite Saisonhälfte. Welche Erwartungen hast Du an die verbleibenden acht Wertungsläufe? Was ist das deklarierte Ziel Deiner Mannschaft? 

Heyer: Mit einem Christiaan Frankenhout und mir auf dem Auto wollen wir schon noch so oft wie möglich in die Topfünf. Die Meisterschaft ist auch wenn BoP-mäßig definitiv langsam was passieren muss von P3-15 sehr eng. Also auch ein Neunerplatz ist manchmal das Optimum. 

SportsCar-Info: Wie beurteilst Du die gegenwärtige Leistungsdichte, welche bekanntlich immens hoch ist, im GT Masters? Insbesondere angesichts der fortwährenden Anpassungen in Sachen Balance of Performance. 

Heyer: Wie bereits gesagt, ein bis drei Sachen sind langsam schon sehr fraglich, aber unterm Strich ja auch nicht leicht. Dieses System „BoP“ perfekt zu lösen, wird es niemals geben. So nah wie möglich an „fair für alle“ dranzubleiben, ist die Aufgabe der Verantwortlichen. 

SportsCar-Info: Das GT-Masters-Championat befindet sich weiterhin auf dem steigenden Ast. Nachdem es jahrelang missglückte, in Deutschland eine nationale GT-Meisterschaft zu etablieren, ist die ADAC-Serie im europäischen Vergleich mittlerweile maßgebend. Du bist seit dem Debütjahr 2007 mit von der Partie. Ist dieser Erfolg allein dem GT3-Konzept zu verdanken, oder spielten auch andere Faktoren eine Rolle? 

Heyer: Die GT3 kam einfach zum richtigen Zeitpunkt. Viele Teams hatten neben Markenpokalen kaum eine Möglichkeit, Motorsport neben der DTM zu machen. Die GT3 birgt aber auch viele Gefahren. Aus Fahrersicht ist dieser GT3-Boom super. Man kann mit einem Hersteller fast alles fahren. Die Gefahr ist aber, dass zum Beispiel 40 Fahrzeuge für im Schnitt 250.000 Euro im Parc-Fermé des ADAC GT Masters stehen, dazu die selbe Summe an Aufliegern und Teamhardware, plus Einsatzkosten. Das machen mal eben so schlappe 35 Millionen Euro, die da gedreht werden. Das Problem mindestens 20 Autos fahren nach jedem Wochenende unzufrieden nach Hause, und auch die Organisationen müssen diesen riesigem Starterfeld weltweit gerecht werden. Ich denke, das ADAC GT Masters ist auf einem guten Wege. Sieht man mal die GT1 und GT3, hat man ein Gegenbeispiel, wo man dem Kunden nicht zugehört hat und die arg geschrumpften Teilnehmerzahlen letztendlich zum K.o. führten. Es sollten allgemein nicht zu viele Meisterschaften GT3 machen. Besser fünf Meisterschaften à 30 Autos als zehn Meisterschaften mit zwölf bis 15 Autos. Großes Plus des ADAC GT Masters ist „kabel eins“, das macht viel mehr möglich. „Kabel eins“ entwickelt sich jedes Jahr einen Schritt weiter. Das passt! 

SportsCar-Info: Indes plant der ADAC, unter anderem die Balance of Performance zukünftig auf eigene Faust durchzuführen. Stéphane Ratel monierte gar auf der traditionellen Pressekonferenz in Spa-Francorchamps, gewisse nationale Veranstalter würden seine Strukturen destabilisieren. Könnte eine Loslösung von der SRO den Boom des GT Masters negativ beeinträchtigen? 

Heyer: Im Masters spiegelt sich aber auch mehr als in jeder anderen Serie auf der Welt der wirkliche Leistungsstand der GT3-Fahrzeuge wieder. Es gibt mehr Profipaarungen als in der GT1 oder sonst wo. Es werden ja auch überall andere Reifenfabrikate gefahren, womit eine individuelle BoP eh schon praktiziert werden muss. Die VLN und 24 Stunden auf dem N’ring machen es vor. 20 Autos innerhalb weniger Sekunden auf der Nordschleife – trotz Pokern und Hausieren jeder Marke vor dem Klassiker, Respekt! Der ADAC und DMSB ist auch dort aktiv beteiligt, und ich glaube nicht, dass er das im Masters schlechter vorhat. Die Autos sollten aber von der Basis her gleich sein, nur Restriktoren und Gewicht sollten eine BoP ändern. Wenn wir anfangen, andere Reifengrößen oder Anbauteile zu erlauben, wird es schwer werden, den Überblick zu haben. Zumal die meisten Teams mit den Fahrzeugen auch andere Rennen bestreiten. 

SportsCar-Info: Ende Mai hast Du im Rahmen der Meisterschaftsrunde auf dem Nürburgring gemeinsam mit Jan Seyffarth einen Gaststart in der International GT Open absolviert. Die GT-Serie startet auch auf anderen Traditionsstrecken wie Spa-Francorchamps, Monza oder Brands Hatch. Wäre dieser Wettbewerb ein alternatives Betätigungsfeld, wenn Dich der Weg wieder über die Grenzen der Republik führt? 

Heyer: Die Familie Seyffarth und ich sind befreundet, und ich habe mich gefreut, dass sie mich eingeladen haben. Die Serie ist wirklich für mich nach dem GT Masters das Beste, was es gibt. Tolle Fahrerlageroptik, gutes Konzept und vor allem geile Strecken. ADAC GT Masters und die sechs bis acht Langstreckenrennen stehen auch 2013 wieder auf meinem Programm, aber die International GT Open ist im Fokus. 

SportsCar-Info: Trotz des enormen Aufschwungs in puncto Starterzahlen und einer umfassenden Fernsehübertragung fährt das GT Masters in der Regel vor leeren Rängen. Und das obwohl Supersportwagen wie Mercedes-Benz SLS AMG, BMW Z4, Porsche 911, Audi R8 oder Lamborghini Gallardo jedem Autoliebhaber bekannt sein dürften. Was steht der GT-Sport beispielsweise der DTM nach? 

Heyer: Da muss ich etwas wieder sprechen. Na, ja, also leere Ränge vielleicht am Lausitzring. Truck GP sowie am Sachsenring volle Hütte, in Zandvoort und Oschersleben kommen zahlende 15.000 bis 30.000 Zuschauer. Das haben die meisten 2.-Bundesliga-Vereine in Deutschland nicht als Schnitt. Motorsport ist kein Fußball, nicht Sportart Nummer eins, aber wir sind klar vor den meisten anderen Sportarten. Es sollte noch mehr Werbung seitens der Veranstalter gemacht werden, denn wir haben mehr als nur ein paar Promis am Start. Die Rennen sind ultraspannend, und es gibt keine Stallregie oder Politik. Wenn der Startschuss fällt, kämpft jeder für sich. Man merkt, wie sich das auf die Stimmung der Leute überträgt. Die Fangemeinschaft wächst und wächst. GT1-WM oder WEC, die fahren vor leeren Rängen. DTM ist eine Herstellerserie, die alleine die Hälfte der Zuschauer einlädt. Beide Pakete haben ihre Daseinsberechtigung und funktionieren. 

SportsCar-Info: Wie siehst Du die Zukunft der GT-Szene in Deutschland und in Europa? Besteht die Chance, dass GT-Wettbewerbe an Popularität gewinnen, oder fristet der GT-Sport auch in den nächsten Jahren sein Dasein als Randsportart? 

Heyer: Du siehst das zu hart. Die Tendenz sehe ich ganz anders. Ich denke, dass wir live vor Ort schon ganz gut dastehen. TV lebt von Werbung, und dass die Leute einmal in der Berichterstattung des GT Masters landen. Denn dann sehen sie Action pur und werden vom Format begeistert sein. Grundsätzlich ist für mich der Tourenwagensport neben der DTM tot. 2,5-Liter-Autos hauen heute keinen mehr vom Hocker, und die Supersportwagen der GT Szene sind optisch vergleichbar mit den Straßenversionen und der Traum eines jeden Mannes. Man muss es attraktiv bewerben und 24 Stunden von Spa, 24 Stunden auf dem Nürburgring und ADAC GT Masters sowie auch die französische GT machen es vor. 

SportsCar-Info: Zum Abschluss eine ganz andere Frage. Würdest Du gerne einmal ein Rennen an der Seite Deines Vaters bestreiten? 

Heyer: Dies ist uns leider nicht gelungen, da ich so spät angefangen habe. Mein Vater hat auch eine spezielle Meinung zu älteren Herren in modernen Fahrzeugen, die ich durchaus teile. Ich habe großen Respekt vor seiner damaligen Entscheidung, „das war’s“! Er ist Vater, Freund, Geschäftspartner und Berater in einer Person. Und Vater-Sohn-untypisch knallt es bei uns so gut wie nie. Er hatte eine beispiellose Karriere mit so vielen Highlights und hat einen sehr sauberen Absprung vollzogen. Natürlich wäre es super gewesen, ich hätte nicht mit 22 sondern mit acht Jahren angefangen, aber so war das nun mal nicht. Wir laufen aber als Heyers als Einheit geschlossen durch die Rennerei und durchs Leben und das ist etwas sehr Wichtiges.