Erwacht aus dem GT-WM-Albtraum: Stéphane Ratel hat den Wettlauf gegen die Zeit verloren. Schließlich wurde seiner Gran-Turismo-Weltmeisterschaft doch der Garaus gemacht. Denn der Visionär hat letzten Endes seine eigenen Prinzipien untergraben und das Championat künstlich am Leben gehalten.
Letztendlich hielt es dem Druck nicht mehr stand: Stéphane Ratels Luftschloss liegt in Trümmern. Obwohl der Visionär seiner Idee einer GT-Weltmeisterschaft beinahe drei Jahre Herzblut opferte, war das Unheil dieser Tage nicht mehr aufzuhalten. Der GT-Hegemon prononcierte gestern, seine wichtigste Serie einzustellen. Nichtsdestoweniger erreicht diese Proklamation die Szene keineswegs unerwartet.
Die Anzeichen, welche wie ein Damoklesschwert über Ratel und seiner Grande-Tourisme-Gemeinde schwebten, häuften sich in jüngster Vergangenheit. Schwindende Teilnehmerzahlen, die Absage der Wertungsläufe im Reich der Mitte und dubiose Finanzierung der Rennställe – ein augenfälliges Menetekel. De facto hielt Ratel sein Championat während der letzten Monate mit Leibeskräften künstlich am Leben.
Zumal die GT-Weltmeisterschaft seit dem Gründungsjahr eine Totgeburt war. Das Ratel’sche GT-WM-Konzept traf bei den Herstellern und Teams schlicht und ergreifend nicht auf Resonanz. Trotzdem setzte sich der SRO-Kopf durch. Damit schaufelte sich der Apologet Ratel von Anfang an sein eigenes Grab. Denn seine Vorstellung von einer Weltmeisterschaft, welche von passionierten Privatiers anstelle von Konstrukteuren bestritten wird, erscheint gleichermaßen romantisch wie realitätsfern.
Weltmeisterschaft als Widersprich zur GT-Kultur
Durchaus zeigte sich Ratel willens aus den ersten FIA-GT-Jahren des Sturm und Drangs zu lernen. Ende der neunziger Jahre investierten die Hersteller Mercedes, BMW und Porsche Unmengen an Geld in ihr Werksengagement, wodurch dieses Triumvirat binnen zweier Jahre die noch junge Serie beinahe in die ewigen Jagdgründe geschickt hätte. Seitdem insistiert Ratel darauf, dass lediglich private Rennställe an GT-Wettbewerben teilnehmen.
Ratel sprach auf Pressekonferenzen oftmals davon, die GT-Kultur zu ehren. Eine Kultur, wie sie vormals in der BPR-Meisterschaft existierte. Das Konzept, welches Ratel Anfang der neunziger Jahre gemeinsam mit Jürgen Barth und Patrick Peter vormals ersonnen hat, war simpel: Eine Langstrecken-Meisterschaft für diverse Gran-Turismo-Renner aller Art – vom McLaren-BMW bis zum Morgan Plus 8.
Es entfaltete sich eine wahrliche Blütezeit im GT-Sektor. Bis die Werke intervenierten. Porsche stieg noch zu BPR-Zeiten ein, BMW und Mercedes zogen im Debütjahr der FIA-GT-Meisterschaft nach. Noch vor dem Millenium drohte der just entstanden Serie fast das Aus. Ratel rettete das sinkende Schiff, indem der Organisator die Kosten deckelte und den Wettbewerb ausschließlich privaten Rennställen vorbehielt.
Zurück zu den GT-Wurzeln
Allerdings hegte Ratel unlängst andere Pläne. Der GT-Meister kokettierte stets mit dem Traum einer GT-Weltmeisterschaft. Doch Ratels Konzept hatte fortwährend einen Haken. Zwei Dutzend private Mannschaften mit einem begrenzten Budget, welche einen Konkurrenzkampf auf höchstem Niveau – dem einer Weltmeisterschaft – austragen, lässt sich nolens volens nicht miteinander vereinbaren. Und an diesem Fehler im System scheiterte der Plan letzten Endes.
Ein Anpassungssystem wie die Balance of Performance, welches das Kräfteverhältnis zwischen den Akteuren austariert, führt die Idee einer Weltmeisterschaft faktisch ad absurdum. Wer einen Wettkampf rund um den Globus auf solch einem Level austragen will, kann die Protagonisten nicht einhegen. Ein Turnier auf verschiedenen Kontinenten ist und bleib kostspielig und erfordert schlussendlich immer die Beteiligung der Werke.
Das paradoxe GT-WM-Konzept erforderte bereits in der Debütsaison seine Kompromisse. Die Meisterschaft wäre niemals zustande gekommen, wenn das Fahrerlager nicht mit Jahreswagen aufgefüllt worden wäre. Aus dem Übergangsjahr wurden letztendlich zwei. Deshalb wurde heuer auf GT3-Vehikel gewechselt und ein Großteil der Wagen von Ratel selbt finanziert. Die GT-WM kroch bereits auf allen Vieren. Das Ende war nur eine Frage der Zeit.
Denn die GT-Bühne gehört seit jeher den Enthusiasten, Bastlern und Schraubern. Das sind die Wurzeln des GT-Sports – kostengünstiger Langstreckensport auf Traditionsstrecken. Die BES-Meisterschaft beweist diese Gegebenheit. Ein durchschnittliches Starterfeld von rund fünfzig Fahrzeugen spricht für sich. Und Ratel kann vom Glück reden, diese GT3-Europameisterschaft als Rücklage zu haben, denn der WM-Traum ist endgültig ausgeträumt.
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