DeltaWing: Ein fast geglücktes Experiment

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Nachdem die Rennrakete bereits am Testtag durch ganz passable Zeiten auffiel, wurde am Rennwochenende endgültig klar, dass dieses Projekt durchaus ernst zu nehmen ist. Allerdings war schon nach sechs Stunden Schluss. Grund war ein Unfall.

Spätestens nach dem freien Training, in welchem der DeltaWing übrigens über eine Stunde an der Box stand, wurde vielen LMP2-Teams klar, dass hier durchaus ein Gegner bereit stand. Mit 3:43,576 Minuten schlug der Deltawing mit deutlich weniger Leistung nicht nur beide Gulf-Racing-Lolas, sondern auch den Norma sowie einen der Signatech-Nissans und den Lola-Lotus.

Die besondere Gewichtsverteilung und das ungewöhnliche Fahrzeugkonzept, bei dem der Abtrieb nicht wie sonst auch über die Flügel, sondern wie zu Gruppe-C-Zeiten fast nur über den Unterboden erzeugt wird, erforderte allerdings auch beim Setup eine andere Herangehensweise, welche das Team erst im Laufe des Wochenendes richtig verstand. Demnach berichtete der deutsche Fahrer des Fahrzeugs, Michael Krumm, dass das Fahrzeug noch während des Rennens immer besser wurde.

In der Qualifikation sendete der DeltaWing dann den nächsten Warnschuss in Richtung LMP2. Wäre er im ersten Nachtqualifying nicht im Verkehr stecken geblieben, wäre laut Team eine Zeit unterhalb von 3:40 Minuten möglich gewesen. Dies darf aber vielleicht doch bezweifelt werden. Die 3:42,612 Minuten, die am Ende aber herauskamen sind umso mehr der Ehren wert. In der Startaufstellung befand sich der DeltaWing wieder mitten in der LMP2-Riege.

Schwachstelle Getriebe

In den Trainingssitzungen verbrachte die von einem Nissan-Turbomotor angetriebene Rakete allerdings auch viel Zeit an der Box. Gerade das Getriebe, das wie alles am Fahrzeug extrem auf Gewicht optimiert wurde, machte immer wieder Probleme. Scheinbar waren einige Teile doch zu schwach dimensioniert. Das Team hingegen ärgerte sich über die Notwendigkeit anstelle einer Rückfahrkamera, Spiegel einsetzen zu müssen. Angeblich erhöhte sich der Luftwiderstand dadurch um acht Prozent.

Der Nissan-Motor lief hingegen vorbildlich. Mit 1,6 Litern Hubraum und etwa 300 PS Leistung ist er vermutlich am ehesten mit einem der Motoren aus der WTCC oder WRC zu vergleichen, die in Leistung und Hubraum ähnlich sind. Dank eines Luftwiderstandbeiwertes von zirka 0,35 reichte dies aber immer noch für über 300 km/h auf der Hunaundières-Geraden. Ein moderner LMP hat einen Luftwiderstandsbeiwert von ungefähr 0,5 bis 0,6, bei einem Serienwagen liegt man heutzutage üblicherweise im Gebiet von 0,25 bis 0,32, dann allerdings mit wesentlich größerer Stirnfläche.

Beeindruckender Reifenverbrauch

Auffällig war der Reifenverbrauch des Teams. Während die Audi-Boliden im Rennen nach spätestens vier Stints mit je elf Runden zum Reifenwechsel an die Box kamen, absolvierte der DeltaWing den gesamten Testtag, das freie Training und sogar Teile der Qualifikation auf ein und demselben Satz Reifen. Dabei wurden bereits am Testtag 54 Runden abgespult.

Ebenfalls beeindruckend war der Spritverbrauch. Obwohl mit 40 Litern nur etwas mehr als halb so groß wie bei einem LMP1, konnte der DeltaWing länger ohne Nachtanken fahren. Man kann also sagen, dass das Experiment auch ohne teure Materialien und mit immer noch beeindruckendem Tempo in Le Mans zu fahren und dabei nur etwa halb so viel Reifen und Sprit zu verbrauchen wie ein Topteam, darf als gelungen betrachtet werden.

Wenig Rennglück

Nach der guten Vorstellung in der Qualifikation und im Training rechnete sich das Team berechtigt Hoffnungen aus am Ende des Rennens in den Top-20 zu liegen. Allerdings war die Zielvorgabe am ehesten noch Ankommen, da das Fahrzeug ja nicht den normalen Regeln entsprach und nicht gewertet wurde.

Bereits nach dem Start fiel das Fahrzeug jedoch recht bald ans Ende des LMP2-Feldes zurück. Die Geschwindigkeit, die es in den Trainings auf einzelnen Runden gezeigt hatte, erreichte es jedoch nie wieder. In Runde 39 fuhr der DeltaWing dann seine schnellste Rennrunde von 3:45,737 Minuten. Auch dies reichte allerdings um in dieser Wertung schneller als mancher LMP2 zu sein.

Leider war auch das Ankommen dem Konzept leider nicht vergönnt. Als das Feld nach der Safety-Car-Phase aufgrund des Crashs von Anthony Davidson wieder freigegeben wurde, befand sich das Fahrzeug in einem Zug vor dem führenden Audi und dem Toyota, welcher vor der Safety-Car-Phase geführt hatte. Nach dem Restart setzte Kazuki Nakajima im Toyota alles daran, sich die Führung zurück zu erobern, leider waren jedoch der DeltaWing und auch einige GT-Fahrzeuge vor den beiden Streithähnen. In den Porsche-Kurven übersah Nakajima dann schlussendlich den DeltaWing, den er gerade überholte hatte, berührte die schmale Front mit seinem Heck und schubste ihn von der Strecke. Der DeltaWing hatte bis dahin 75 Rennrunden zurückgelegt.

Der Fahrer, Satoshi Motoyama, versuchte dann zwar mit der Unterstützung durch einige Angehörige seines Teams am Streckenrand den DeltaWing wieder an die Box zurück zu bringen, um nach einer Reparatur das Rennen wieder aufnehmen zu können, aber auch dies blieb dem Team leider verwehrt, sodass um 21.09 Uhr die Aufgabe des Deltawing bekannt gegeben wurde.

Alles in Allem hinterließ das Experiment aber einen guten Eindruck. Diese Fußstapfen muss der vor allem im Antriebsbereich wesentlich innovativere Green-GT zuerst einmal füllen.