60 Jahre und noch kein bisschen müde – im Gegenteil: Zum runden Geburtstag legt der Langstrecken-Kracher auf dem Flughafenkurs in Sebring noch einmal gehörig nach. Insgesamt haben sich 63 Sportwagen angekündigt, dem Klassiker die Ehre zu erweisen.
Zu Beginn standen ein ausgemusterter Flughafen und die Idee ein Rennen zu veranstalten, das so lang dauern sollte, bis der kleine Zeiger eine halbe Drehung vollzogen hat, also genau sechs Stunden. „Zu Beginn“, das war 1950. Die Initiatoren bauten den Flugplatz nach dem Vorbild der europäischen Grand-Prix-Kurse um und öffneten erstmals die Tore für Fans und Rennfahrer.
Seitdem hat das Rennen eine bewegte Geschichte hinter sich. Die erste Austragung konnten Fritz Koster und Ralph Deshon im Crosley Hot Shot für sich entscheiden. Das Jahr darauf war es jedoch schon wieder vorbei mit den Rennen in Sebring – vorerst. Schon 1952 kehrte das Rennen zurück, mit doppelter Distanz. Es fand einmalig unter dem Banner der American Automobile Association statt, bevor es 19 Jahre im Kalender der Sportwagen-Weltmeisterschaft vertreten war. In diesen fast zwei Dekaden gaben sich die Top-Teams der Zeit die Klinke in die Hand und überreichten sich gegenseitig die Füller um sich in die Siegerlisten einzutragen. In dieser Zeit etablierte sich das Rennen zu einem der wichtigsten der Welt und wurde traditioneller zweiter Saisonpunkt der WM. Zudem wurde es zum Gradmesser für die Le-Mans-Favoriten, kurz: wer Sebring gewann, triumphierte meist auch in Le Mans.
Doch 1973 erfolgte der erste Rückschlag: die WM zog sich zurück. Eine neue Heimat fand der Event in der neuen IMSA GT-Meisterschaft, bevor er 1974 wegen der Ölkrise nicht ausgetragen wurde. Diese Partnerschaft hielt bis 1998, als sich die GT-Meisterschaft auflöste. Das inzwischen zum Klassiker mutierte Rennen wurde in die neue Meisterschaft der IMSA – die American Le Mans Series (ALMS) – aufgenommen, wo es bis heute seine Heimat hat. 2011 gehörte der Event erstmals seit 1972 wieder zu einer internationalen Meisterschaft, dem Intercontinental Le Mans Cup. Für 2012 hat sich gar der neue World Endurance Championship (WEC) angekündigt.
Streckenumbauten seit 1950
Dass die während der zwölf Stunden erreichten Distanzen von Jahr zu Jahr variieren liegt nicht nur an den Entwicklungen der Hersteller und Teams, der Anzahl der Gelbphasen und Neutralisationen oder der Witterung – auch die Streckenlänge hatte ihren Einfluss darauf. Insgesamt wurde der ehemalige Flughafen sechsmal umgebaut.
Anfangs betrug eine Runde 5,31 Kilometer. Bereits zur zweiten Austragung 1952 wurde dies auf 8,6 Kilometer erhöht. Der nächste Umbau erfolgte 1966/67, als die Strecke um genau 600 Meter erweitert wurde. Bei den folgenden Änderungen verkürzte man die Länge kontinuierlich. Erst auf 7,5 Kilometer, später auf 6,85 sowie 5,99 und letztendlich 5,96 Kilometer, welche der Kurs auch 2012 messen wird.
Dennoch wurde ein charakteristisches Merkmal, das ein Überbleibsel des Flugbetriebes ist, nie entfernt. Gemeint sind die Bodenwellen, welche die Fahrer und Fahrzeuge unter höchste Belastung stellen. Der Streckenbelag in Sebring teilt sich in Abschnitte mit welligem Asphalt und welligem Beton – und in sehr wellige Teilstücke der beiden genannten Beläge.
Auftakt von WEC und ALMS
Zum dritten Mal seit 1981, als die IMSA-GT-Meisterschaft und die Sportwagen-WM zu Gast waren, 2011 mit ALMS und ILMC werden in diesem Jahr zwei Rennserien das Zwölf-Stunden-Rennen von Sebring in Angriff nehmen. Für beide Meisterschaften, also die ALMS und den WEC, ist das Rennen nahe Sebring der Saisonauftakt für das Jahr 2012.
Insgesamt werden 63 Wagen in den bekannten Klassen LMP1, LMP2, LMPC, GTE Pro, GTE Am und GTC zum Rennen antreten. Das größere Kontingent stellt die ALMS mit 33 Wagen, im Rahmen des ILMC nehmen 30 Starter teil.
Die „große“ Kategorie der LMP1, also den vermeintlichen Rennsiegern, wird jedoch von WEC-Teilnehmern dominiert. Als klarer Favorit sollte das Werksteam von Audi feststehen, das mit drei Audi R18 und den Stammbesatzungen antritt. Der bayrische Autohersteller hat in Sebring seit 2009 nichtmehr gewonnen, als man sich trotz einem unterlegenen Auto gegen Peugeot über die Zeit retten konnte. Einzige Veränderung im Fahrerkader ist, dass Neuzugang Loïc Duval Mike „Rocky“ Rockenfeller ersetzt und zu Romain Dumas und Timo Bernhard stößt.
Nicht am Start sein wird der Titelverteidiger Peugeot, die im Winter die Einstellung des Prototypen-Programms überraschend bekannt gaben. Davon betroffen ist auch das Gewinnerteam Oreca, das 2012 mit Toyota ab Spa in die WM einsteigen wird.
Ein bekannter Name wird in Sebring hingegen seine Rückkehr im Le-Mans-Sportwagen geben. Gemeint ist Nick Heidfeld, der mangels Angebote die Formel 1 verließ und beim Schweizer Team Rebellion angedockt hat. Seinen bislang einzigen Auftritt an der Sarthe hatte der Mönchengladbacher 1999. Auch die Neueinsteiger Strakka Racing und JRM werden in Florida ihren Einstand im LMP1-HPD geben. Dazu kommen Henri Pescarolo mit seiner Equipe, OAK Racing und die beiden ALMS-Teams von Muscle Milk und Dyson.
Ebenfalls gut gefüllt ist das Starterfeld der LMP2. Gemeldet sind neben den aus der ILMC und LMS bekannten Teams Signatech (Oreca-Nissan), Oak Racing (Morgan-Judd), Greaves Motorsport (Zytek-Nissan) und Pecom Racing (Oreca-Nissan) auch die Neueinsteiger von ADR-Delta (ebenfalls Oreca-Nissan), Lotus (Lola-Lotus) und Gulf Racing Middle East (zweimal Lola-Nissan) sowie die Daytona-Zweiten von Starworks Motorsport (HPD). Dazu kommen die ALMS-Teams Conquest Endurance (Morgan-Judd) und Level 5 Motorsport (zweimal HPD).
In der kleinsten Prototypen-Kategorie – der LMPC – sind neun Starter, ausschließlich aus der ALMS, gemeldet. Mit dabei sind die Neueinsteiger von Muscle Milk, Merchant Services Racing und Dempsey Racing von TV-Star Patrick Dempsey, der schon in Daytona mit zwei Mazda RX-8 teilgenommen hat.
Volles GT-Feld
Den größeren Anteil auf dem Kurs in Sebring werden die GT ausmachen. Dies bedeutet sowohl für Prototypen als auch für GT erhöhte Aufmerksamkeit. Insgesamt wird die Verkehrsdichte sehr hoch sein, da sich 63 Wagen 5,96 Kilometer zu teilen haben.
Zu den schnelleren GT gehören die Wagen der GTE-Pro-Klasse, welcher auch die GT-Starter der ALMS zugerechnet werden, da dort ausschließlich Profis am Start sind.
Die größere Abordnung kommt dabei vom amerikanischen Kontinent. Vertreten sind alle bekannten und erfolgreichen Teams von Corvette Racing über Falken Tire, Flying Lizard, Paul Miller (alle Porsche) und BMW Team RLL bis hin zu Extreme Speed (Ferrari). Risi Competizione gab vor einigen Wochen budgetbedingt die Absage bekannt. Nicht vertreten sind ebenfalls die in den letzten Jahren nicht ganz konkurrenzfähigen Wagen von Jaguar und Ford.
Aus der WEC kommen weitere hochkarätige Starter hinzu. Dies sind drei Ferrari, ein Porsche und ein Aston Martin der Teams AF Corse (zwei Ferrari), Luxury Racing (Ferrari), Felbermayr Proton (Porsche) und Aston Martin Racing. Hinter den Lenkrädern werden sich die bekannten Werksfahrer Fisichella/Bruni/Vilander, Bertolini/Beretta und Makowiecki/Melo/Vernay (alle Ferrari) sowie Lietz/Lieb/Pilet (Porsche) und Mücke/Fernandez/Turner (Aston Martin) abwechseln.
In der GT-Am genannten Klasse für GT2-„Jahreswagen“ darf hingegen nur ein professioneller Fahrer am Steuer sitzen. Die Einsatzteams sind hingegen teilweise identisch zu denen der Profi-Wagen. Mit dabei ist wieder die Ferrari-Speerspitze AF Corse in Zusammenarbeit mit Michael Waltrip, die 2012 ein Mammutprogramm mit dem WEC, der GT-WM und der Blancpain Endurance Series absolvieren. Auch Luxury Racing und Felbermayr-Proton haben jeweils einen Wagen in der Amateur-Klasse am Start. Dazu kommen zwei Corvette von Larbre Competition und je ein Ferrari und Porsche von Krohn Racing und JWA-Avila.
Die langsamste Klasse ist die GTC der Cup-Porsche, in der lediglich „einheimische“ ALMS-Starter vertreten sind.
Spannende Entscheidungen vorprogrammiert
Trotz der halben Le-Mans-Distanz verliert das Rennen über die Zeit nicht an Intensität – im Gegenteil, die Spannung steigert sich zunehmend. Dazu können die im Vorfeld als Favoriten bezeichneten Teams während des Events durch Strafen, Unfälle, falsche Taktik oder Gelbphasen zurückgeworfen werden. Dies kann den so genannten Außenseitern den Weg zum Sieg eröffnen.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Rennen aus dem vergangenen Jahr. Die Werksteams von Audi und Peugeot kegelten sich gegenseitig in Reparaturstops und damit aus den Spitzenpositionen heraus. Dies ermöglichte es dem HPD von Highcroft zwischenzeitlich in Führung zu gehen und die Motorsportchefs Quesnel und Ullrich den Schweiß auf die Stirn zu treiben. Am Ende konnten sie noch von einem Peugeot abgefangen werden, der jedoch aus dem B-Team Oreca stammte und nicht aus dem Werksteam.
Auch der Sieg eines LMP2 ist nicht unmöglich, wie Penkse Racing 2008 mit dem Porsche RS Spyder bewies. Erst auf Gesamtrang drei kam mit dem Audi R10 der erste LMP1 ins Ziel. Der Vorsprung des Porsche lag jedoch weit unter einer Runde.
Noch knapper war die Zieldurchfahrt im Jahr 2007. Der Gesamtsieg war durch Marco Werner im Audi bereits entschieden worden, doch die GT2-Führenden Melo (Ferrari) und Bergmeister (Porsche) mussten noch eine weitere Runde fahren, während das Feuerwerk schon in die Höhe schoss. Melo sah wie der Sieger aus, bis er einen Fehler machte und Bergmeister so in die Position brachte den Brasilianer angreifen zu können. Der Überholvorgang gelang dem Porsche-Werksfahrer in der Einfahrt zur letzten Kurve. Da diese jedoch ein langgezogener Recktsknick ist, konnte sich Melo auf der Innenseite wieder herankämpfen und unter Lackaustausch der beiden GT auf der Zielgeraden das Rennen entscheiden.
Auch in diesem Jahr ist solch ein enger Zieleinlauf möglich, aber bei den GT wahrscheinlicher als bei den LMP. In den letzten Jahren zeigte sich die GT-Klasse der ALMS stets sehr kampfbereit und kann sich mit der europäischen Abordnung auf Augenhöhe bewegen. Dies bewiesen sie nicht zuletzt beim Petit Le Mans im vergangenen Jahr, als der Flying Lizard-Porsche den RLL-BMW noch auf der letzten Runde überholen konnte. Des Weiteren sind diverse enge Zielankünfte der GT in den USA bekannt.