Aston Martin: Britischer Pferdeflüsterer?

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Konkurrenz für Porsche und Ferrari? Die beiden Pferde aus Stuttgart und Maranello dominierten während der letzten Jahre im Galopp die GT-Szene. Aston Martin schickt sich nun an, mit dem Vantage GTE diese Zweisamkeit zu stören. Die Briten haben die Teilnahme an der Sportwagen-WM bestätigt.

Bestes Pferd im Stall? Porsche? Ferrari? Heuer gesellt sich ein Neuer in die Runde der arrivierten Hersteller der Gran-Turismo-Riege: Aston Martin. Infolge des missglückten LMP-Werksengagements im zurückliegenden Jahr hat sich der Traditionshersteller aus Großbritannien ein neues Betätigungsfeld gesucht. Mit dem Ziel, die Vormachtstellung der Roten und der Weissacher anzufechten, treten die Briten werksseitig in der Sportwagen-Weltmeisterschaft und in Le Mans an.

Das Einsatzfahrzeug: der Aston Martin Vantage GTE, eine Weiterentwicklung der GT2-Version, welche in den letzten Jahren von diversen Privatiers rund um den Globus eingesetzt wurde. Obgleich der V8-Brummer für den Renneinsatz in der GTE-Pro-Kategorie konstruiert wurde, arbeitet unter der Haube im Grunde dennoch ein konventioneller, für den Straßenverkehr vorgesehener Vantage-Motor. Doch der Teufel steckt im Detail. Für den Wettstreit gegen das deutsch-italienische Establishment wurden zahlreiche Komponenten ausgetauscht.

Dies betrifft beispielsweise die Zylinderköpfe, die Pleuelstange, die Ventile, die Nockenwelle oder auch die Auspuffanlage. Wie im Straßenfahrzeug ist das Getriebe mittig-hinten montiert, jedoch mit einer halbautomatischen Sechs-Gang-Schaltung ausgestattet. Zudem kommt bei der Kraftübertragung ein Öl- und Luftkühlungssystem zum Einsatz. Überdies verfügt der Vantage-Brummer sowohl vorne als auch hinten über eine Doppelquerlenker-Radaufhängung mit Spiralfedern und verstellbaren Aluminiumdämpfern.

Auch der Überrollkäfig, der gemäß den FIA-Sicherheitsstandards konstruiert wurde, besteht aus dem präferierten Metall. Mit Ausnahme des Daches wurde die Karosserie dagegen aus leichtgewichtigen Karbon gefertigt. Das überarbeitete Aerodynamik-Paket umfasst dementsprechend einen Diffusor, einen flachen Unterboden und einen Kohlefaser-Heckflügel, der mittels einer neuartigen numerischen Strömungssimulation entwickelt wurde. Abgerundet wird das Spektakel durch einen Sechs-Kolben-Bremssattel auf der Vorderseite und einem vergleichbaren Vier-Kolben-Bremssattel auf der Hinterachse.

Ambivalente Bilanz im GT-Sport

Soweit das technische Palaver, doch ist der wuchtige Inselsportler eine ernstzunehmende Gefahr für die Arrivierten? Sicherlich werden intern bei der Aston-Martin-Werksmannschaft Erinnerungen an das Debüt in Sebring 2005 wach, als der DBR9-Renner beim Debüt auf Anhieb den Klassensieg abräumte. Denn auch in diesem Jahr wird der Vantage GTE beim Zwölf-Stunden-Rennen auf dem Flughafengelände in Florida seinen Einstand geben. 

„Wir starten nächsten Monat mit einem brandneuen Fahrzeug in Sebring, aber exakt dasselbe taten wir mit dem DBR9 im Jahr 2005, und wir gewannen das Rennen“, erinnert sich Werksfahrer Darren Turner euphorisch. „Ich verspreche nicht, dies zu wiederholen, aber wir werden es sicherlich versuchen.“ Doch der Vantage-Vorgänger, welcher mit dem Bio-Ethanol-Kraftstoff E85 angetrieben wurde, weist eine nüchterne Bilanz auf.

Binnen drei Jahren absolvierte der Vantage GT2 zahlreiche Einsätze bei den 24 Stunden von Le Mans, in der ALMS- und LMS-Meisterschaft, aber auch in der Super-GT-Serie. Für die Einsätze zeichneten sich Drayson Racing, JMW Motorsport, JLOC und Gulf AMR Middle East verantwortlich. Obwohl teilweise erfahrene Piloten ins Steuer griffen, vereitelten oftmals technische Probleme erfolgreiche Platzierungen.

Allerdings sind die Voraussetzung diese Saison andere. Da Aston Martin Racing das Programm in der LMP1-Königsdisziplin eingestampft hat, fällt die Doppelbelastung weg und der britische Konstrukteur kann sich auf seine Aktivitäten in der Gran-Turismo-Division konzentrieren. Sein Potenzial zeigte der Traditionshersteller schließlich zwischen 2005 und 2008 im GT1-Prestigeduell gegen Corvette.

Turner, Mücke und Fernandez teilen sich die Lenkradarbeit

Allein die Auswahl des Fahrerkaders untermauert die Ambitionen der Engländer. Die Besatzung des neuen Vehikels setzt sich aus Darren Turner, Stefan Mücke und Adrian Fernandez zusammen, die allesamt Referenzen im Sportwagen-Metier vorzeigen können. Zudem wird das Testprogramm um zwei ALMS-Einsätze in Long Beach und Laguna Seca ergänzt, damit das Trio mehr Rennpraxis sammeln kann.

„Ich freue mich darauf, den Vantage GTE zu fahren, und ich bin optimistisch, dass das Auto konkurrenzfähig ist“, prognostiziert Mücke. „Wir stecken unsere Ziele stets hoch und visieren in jedem Rennen das Podium an. Wir sind entschlossen die Leistung und Beständigkeit des Vantage GTE dieses Jahr unter Beweis zu stellen.“

Der Berliner ist seit seinem Wechsel von der DTM-Meisterschaft in die Langstrecken-Szene ein exponierte Akteur bei Aston Martin. Aufgrund seiner Verpflichtung bei Charouz Racing war Mücke von Beginn an in das LMP1-Projekt des englischen Herstellers involviert. Ab 2008 segelte der Lola-Aston Marin schlussendlich unter der Flagge der britischen Marke und der Hauptstädter agierte stets am Steuer des Prototyps.

Sein Kollege Adrian Fernandez engagiert sich seit 2010 bei Aston Martin Racing, zuvor war in der Grand-Am-Meisterschaft und in der ALMS-Serie für Acura im Einsatz. „Der GT-Sport ist eine gänzlich neue Erfahrung für mich, denn ich habe in meiner Karriere bisweilen vorwiegend Prototypen und Formel-Fahrzeuge pilotiert“, erläutert der Mexikaner. „Es ist stets eine Herausforderung im Motorsport, etwas Neues auszuprobieren, und ich denke aufgrund der bisherigen Aston-Martin-Erfolge in dieser Kategorie werde ich schnell den Umgang mit diesem Fahrzeug lernen.“

Obgleich die Vanatge-Bolide auf Anhieb die fliehenden Pferde aus Maranello und Stuttgart jagen kann oder nicht, wird Aston Martin langfristig eine relevante Rolle als dritte Kraft in der GTE-Sparte spielen. Weil Corvette seine Aktivitäten in diesem Jahr auf den Klassiker an der Sarthe, das Zwölf-Stunden-Rennen in Sebring und das Petit Le Mans eingrenzt, fehlt es selbst in Übersee an einem Konkurrenten für Ferrari und Porsche. Bleibt abzuwarten, wie sich die Briten schlagen.