VLN: Eine Saison der Superlative

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Hinter uns liegt eine VLN-Saison, die es so noch nicht gegeben hat. War man im Vorjahr noch Traurig über den Weggang namhafter und erfolgreicher Teams, so spülten heuer der GT3-Boom und der Einsatz der großen Werke beim 24-Stunden-Rennen neue siegfähige Teams in die Serie.

Die Saison lässt sich grob in zwei Hälften teilen. Bei den fünf Läufen vor dem 24-Stunden-Rennen waren hochspektakuläre Felder zu sehen, bei denen die Werksteams und andere Starter des Langstrecken-Spektakels die VLN nutzten, um sich auf den Saisonhöhepunkt vorzubereiten. In der zweiten Saisonhälfte kehrte weitgehend Normalität ein. Trotzdem waren die Läufe mit gut 180 Startern im Schnitt immer gut besetzt und auch die Top-Klasse SP9 war in der Regel bestens besucht.

Vor Allem in Sachen Gesamtsieg war die VLN-Saison 2011 ein Novum. In zehn Rennen gab es neun unterschiedliche Fahrerbesatzungen, die den Gesamtsieg einfuhren. Bei den Teams holte Manthey drei Siege, Phönix holte derer zwei, je einer ging an BMW-Motorsport, Farnbacher Racing, Mamerow Racing, ROWE Racing und Raeder Motorsport. War die VLN in der Vergangenheit noch fest in Porsche-Hand, sind die Zuffenhausener heute nur noch einer von vielen. Je drei Siege gingen an Porsche und Audi, zwei an Mercedes und je einer an BMW und Ferrari.

Erste Saisonhälfte im Zeichen der BOP

Die ersten Läufe im Frühjahr waren geprägt von taktischen Spielchen und im Fahrerlager gab es anscheinend nur ein einziges Thema: Ballance of Performance, kurz BOP. Man musste den Eindruck gewinnen, dass niemand die Rennen gewinnen wollte oder gar bereit war, eine ernsthaft schnelle Runde abzuliefern. Eine Rundenzeit zwischen 8.25 bis 8.35 Minuten wurde als optimal ausgerufen, wollte man nicht von der Technikkommission eingebremst werden.

Im ersten Lauf hielt sich der Werks-BMW mit Andy Priaulx, Dirk Müller und Dirk Werner exakt an diese Vorgabe. Darüber, dass man so einen Gesamtsieg einfahren konnte, war man sicher auch in München etwas überrascht. Als Manuel Lauck im Pinta-Porsche innerhalb von zwei Runden von Startplatz zehn auf die Führungsposition gefahren war, wurde jedem klar, dass an der Spitze mit angezogener Handbremse gefahren wurde.

Auch in den weiteren Läufen wurde weiter taktiert. Der Grund dafür ist klar. Bis zum Start des 24-Stunden-Rennens konnte die Technikkommission noch BOP-Änderungen ausrufen. Wer mit schnellen Rundenzeiten auffiel, wurde umgehend mit einbremsenden Maßnahmen bestraft. Für die Zuschauer an der Strecke entstanden so spektakuläre Szenen mit Kampfgruppen, die oft Rundenlang in Kolonne durch die Grüne Hölle bretterten.

Nachdem in Lauf zwei ein solcher Zug bestehend aus zehn GT`s an der Spitze wegen eines Verstoßes unter Gelb um eine Runde zurückversetzt wurde, kam die große Stunde des Hankook-Farnbacher-Ferrari F458 Italia. Wie BMW setzte man bei Farnbacher auf ein GT2-Model statt eines GT3 und holte sich mit Konstanz und Zuverlässigkeit den Sieg im ersten von zwei Sechs-Stunden-Rennen des Jahres.

Trotz der großen GT3-Präsenz gab es auch in Lauf drei noch keinen Sieg aus der Topkategorie der VLN. Porsche schickte den Hybrid-Elfer, der dank seiner besseren Reichweite einen Sieg errang. Im vierten Lauf war es dann endlich soweit. Mamerow Racing fuhr im Mercedes SLS den ersten GT3-Sieg ein. Phönix Racing sicherte sich den Platz an der Sonne in Lauf fünf, allerdings ohne große Gegenwehr. Nur zwei Wochen vor dem 24-Stunden-Rennen ließen die meisten Top-Teams den Lauf aus, um kein unnötiges Risiko einzugehen.

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Chaotische Rennen im Sommer

Das große Thema in der zweiten Saisonhälfte war das Verhalten der Fahrer unter „gelb“ beziehungsweise beim Überholen von langsameren Fahrzeugen. Das große Risiko, auf der Nordschleife zu fahren wurde uns vor Augen geführt, als der sechste Lauf nach schweren Unfällen zunächst unter- und schließlich abgebrochen werden musste. Nutznießer des frühen Renn-Endes war der ROWE Racing Mercedes SLS, der beim Rennabbruch die Führung inne hatte. Der Überraschungserfolg geriet aber ob der chaotischen Bedingungen zur Nebensächlichkeit.

Ende August stand dann das zweite Sechs-Stunden-Rennen auf dem Plan. Bei wechselhaften Bedingungen gab es die erste echte Sensation. Die Raeder-Jungs holten im Audi TT RS, dem neuen kleinen Kundenrenner der Ingolstädter, die Pole und den Rennsieg. Der kleine Herr der Ringe konnte seine Leistung dank Frontantrieb bei den nassen Streckenverhältnissen besser auf die Straße bringen.

Die Schlussphase des Rennens verlief Pikant und Turbulent. In Führung liegend fuhr der TT RS vor der letzten Runde in die Box. Der Vorsprung hätte für einen splash and dash gereicht. Doch ein defektes Radlager erzwang einen etwas längeren Aufenthalt, der die stärksten Verfolger in Form des Phönix-Audi R8 an die Spitze spülte. Dürfte der falsche Audi nicht gewinnen? Alle Spekulationen waren Schall und Rauch. Auch dieses Rennen musste nach heftigen Regenfällen und mehreren Unfällen abgebrochen werden. Als Führender in der Runde vor dem Abbruch wurde der TT RS zum Sieger gekürt.

Abschied vom „Dicken“

Drei Rennen vor dem Saisonende begannen die Manthey-Festspiele. Wie in alten Zeiten dominierte der grüngelbe „Dicke“ GT3R die Rennen sieben und acht und holte zwei Siege in Folge. Gleichzeitig bestätigte Porsche-Sportchef Hartmut Kristen das Ende der Porsche Werksaktivitäten auf der Nordschleife. Gerüchte darüber wurden bereits im Sommer diskutiert.

Auch beim Finale dominierte die Speerspitze des Manthey-Rennstalls. Der zum Abschied noch einmal endsandte Werksfahrer Marc Lieb pulverisierte im Training den von Uwe Alzen einst im legendären „Turbinchen“ aufgestellten Rundenrekord. 8:04.471 Minuten ist die Zeit, die es künftig zu schlagen gilt. Auch im Rennen fuhr der GT3R einsam an der Spitze, bevor er etwas unrühmlich im Bereich Hocheichen ohne Vortrieb ausrollte. Audi staubte ab und Phönix-Racing fuhr den zweiten Erfolg des Jahres ein.

Schön aber ohne Erfolg

Es traten aber auch Fahrzeuge mit großem Potential an, denen der oberste Platz auf dem Podium noch verwehrt blieb. Allen voran der N-Technology Ferrari P4/5. Der Prototyp auf Basis eines F430 GT2 zog alle Blicke auf sich, wo er auch auftauchte. Im Kampf um den Gesamtsieg spielt der Schönling aber nur eine untergeordnete Rolle.

Beim 24-Stunden-Rennen gab „Strietzel“ Stuck seinen offiziellen Abschied aus dem Renncockpit. Zusammen mit seinen beiden Söhnen bestritt er auch zwei Läufe zur Vorbereitung auf dem Lamborghini Gallardo in der VLN. Platz 28 in Lauf zwei war dabei das beste Ergebnis.

Der über den letzten Winter einer Evolutionskur unterzogene BMW Z4 GT3 hatte erst im zweiten Rennen seinen ersten Auftritt. Die Münchner hatten es schlicht nicht geschafft, die Renner der Kunden rechtzeitig mit den Aufrüstkits auszustatten. Beim letzten Lauf wagte Schubert Motosport noch einmal einen Großangriff mit drei der Bayern-Bollerwagen. Mit zwei Talenten aus der Mini Challenge gelang dabei ein respektabler zweiter Rang.

Ausblick auf 2012

Auch wenn der Rückzug von Porsche unerfreulich ist. Manthey wird der VLN mit den Kundenfahrzeugen erhalten bleiben. Auch die Ferrari-Präsenz wird weiter ausgebaut. Der P4/5 der Scuderia Glickenhaus kommt zurück. Ein auf einem Challenge-Modell basierender F458 sowie ein älterer F430, ebenfalls ein Challenge, wurden bereits beim vorletzten Lauf getestet und sollen die komplette Saison 2012 bestreiten. Auch mit der Farnbacher-Truppe ist zumindest für ein paar Läufe wieder zu rechnen.

Mit McLaren steht bereits der nächste GT3-Hersteller in den Startlöchern. Dörr Motorsport wird zwei der neuen MP4-12 in der Langstrecken Meisterschaft einsetzen und mit Hilfe von McLaren an die Bedürfnisse der Nordschleife anpassen.