SRO-Präsentation: Zwei Musterschüler, ein Sorgenkind

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Der Erfolg der GT3-Kategorie ist auch 2011 nicht zu übersehen, doch Stéphane Ratel plagen Sorgen. Während GT3-Europameisterschaft und Blancpain Endurance Series boomen, steckt das Aushängeschild des SRO, die FIA-GT1-Weltmeisterschaft, in der Krise.

Es könnte alles so einfach sein. Würde Stéphane Ratels Welt nur aus der GT3-Kategorie bestehen, wäre die Welt für den Organisator der internationalen GT-Serien unter FIA-Flagge wohl mehr als nur in Ordnung. Die FIA-GT3-Europameisterschaft wird mit rund 30 Fahrzeugen wieder ein volles Starterfeld verbuchen können, die neue Blancpain Endurance Series platzt schon vor ihrem ersten Rennen aus allen Nähten. Doch Sorgenfalten zeichnen sich auf Ratels Gesicht ab: Der GT1-WM geht es alles andere als gut.

Fangen wir mit dem Positiven an. Die FIA-GT3-Europameisterschaft hat sich längst im internationalen Motorsport etabliert und erfreut sich großer Beliebtheit. Mittlerweile geht sie bereits in ihre sechste Saison. Gegen Ende des vergangenen Jahres wurden einige Fans leicht stutzig, als die Starterzahlen plötzlich unter die Marke von 25 Fahrzeugen zurückgingen. Für 2011 ist man jedoch sehr gut aufgestellt: Rund 30 Fahrzeuge stehen auf der Nennliste und neue GT3-Boliden, teils von neuen Herstellern werden das Feld bereichern. Es bleibt beim bekannten 60-minütigen Rennformat mit Fahrerwechsel. Noch bleibt abzuwarten, wie das Experiment der neuartigen Bestrafung für erfolgreiches Fahren (längere Standzeiten an der Box anstelle von Erfolgsballast) bei Fans und Fahrern ankommt.

Noch beeindruckender als die Nennliste der FIA-GT3-EM sieht diejenige der neuen Blancpain Endurance Series aus. Nicht weniger als 46 Fahrzeuge von 14 Herstellern wurden für die Saison 2011 genannt. Damit noch nicht genug – weitere 27 Fahrzeuge sind für das 24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps eingeschrieben, was eine hypothetische Gesamtzahl von unglaublichen 73 Rennwagen bedeutet, die in zwei Klassen – FIA GT3 und GT4 – im Rahmen der neuen Langstreckenserie an den Start gehen werden. Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ dürfen sich Fans des Langstreckensports auf einen Leckerbissen gefasst machen: Professionelle Teams wie Vitaphone, AF Corse, Hexis AMR, Reiter, Marc VDS, Phoenix oder Mühlner werden sich einen Wettbewerb in Drei-Stunden-Rennen auf allerhöchstem Niveau liefern. Die Blancpain Endurance Series – nicht nur für Ratel ein Weg zurück zu den Wurzeln der einstigen FIA-GT-Meisterschaft – scheint schon vor dem ersten Rennen ein voller Erfolg zu sein. Ende gut, alles gut?

Nein, denn der Vorhang fällt nicht an dieser Stelle. Ausgerechnet das Aushängeschild des SRO – die FIA GT1 Weltmeisterschaft – steckt in der schon lange befürchteten Krise. Nach der Aufbruchsstimmung im ersten Jahr ist man nun in der Realität angekommen. Die Serie ist zu teuer, schlecht vermarktet und leidet wegen der Kosten unter Teilnehmerschwund. Ganze 16 Fahrzeuge sind bislang genannt. Titelverteidiger Vitaphone hat sich endgültig in die Blancpain Endurance Series verabschiedet. Eine Regel, die ursprünglich das Starterfeld füllen sollte, bewirkt nun das Gegenteil: Vor der Saison 2010 wurde festgelegt, dass pro Hersteller mindestens vier Fahrzeuge am Start stehen müssen. Diese Regel garantierte 2010 ein Starterfeld von über 20 Autos – sonst hätten Nissan und Lamborghini wohl nur zwei Fahrzeuge an den Start gebracht. Nun aber hat man mit dieser Regel den Titelverteidiger eliminiert. Michael Bartels kann das Vitaphone-Team nicht an den Start bringen, weil sich kein Team finden ließ, das zwei weitere Maserati MC12 einsetzt. Dennoch wird seitens des SRO ein Kniff versucht: Die Nennfrist wurde bis zum 15. März 2011 verlängert. Ratel hoffe, wenigstens noch drei Corvetten an den Start zu bekommen. Dafür müsste die Vier-Fahrzeuge-Regel gekippt werden, was aber angesichts der alarmierenden Lage die einzig mögliche Lösung wäre. Die Gerüchte über Bamboo-Racing reißen nicht ab und werden von Ratel genährt: „Wir gehen mit fünf Marken nach Abu Dhabi“, ließ der SRO-Chef verlauten und verwies dabei ausdrücklich auf Corvette, während er sich von Maserati verabschiedete.

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass für 2012 bereits an einem neuen GT1-Reglement getüftelt wird. Ein Reglementswechsel nach nur zwei Saisons würde auf jeden Fall bedeuten, dass das derzeitige FIA-GT1-Reglement gescheitert ist. Im zweiten Jahr ihres Bestehens muss die GT1-WM also bereits durch ein Übergangsjahr. 2012 sollen dann aufgemotzte GT3-Boliden für mehr Vielfalt in der Weltmeisterschaft sorgen. Diese Idee ist nicht neu. Schon während der Gründungsphase der GT1-Weltmeisterschaft versuchte Ratel diesen Kniff, um die horrenden Kosten für die GT1-Boliden in den Griff zu bekommen. Damals scheiterte der Vorschlag bei der FIA, für 2012 soll die Vision endlich Wirklichkeit werden. McLaren, Lotus und Mercedes wurden von Ratel bereits als Interessenten für die 2012er-Saison genannt, auch das Aurora-Projekt rund um den Alpina-BMW könnte wiederbelebt werden, wenn die Anzahl der Homologationsmodelle aus der Serienproduktion gesenkt wird. Dennoch hat die aktuelle Saison noch nicht einmal angefangen. Der große Verlierer des neuen Reglements wäre in jedem Falle Nissan. Die Japaner haben als einzige Marke von Grund auf einen reinrassigen GT1-Boliden entwickelt und würden gegen die wesentlich günstigeren verbesserten GT3-Modelle am Markt den Kürzeren ziehen.

Vermutlich wäre es für Ratel die einfachste Möglichkeit, die GT1-WM zu streichen und den Erfolg seiner GT3-Serien zu genießen. Doch wer Ratel kennt, weiß, dass dieser Schritt für ihn nicht in Frage kommt. Er wird um seine Weltmeisterschaft kämpfen. Dennoch muss die GT1-WM 2011 überstehen. Es wird das Jahr der Bewährung und vermutlich der Tiefpunkt der Serie werden. Bleibt nur zu hoffen, dass es danach wieder bergauf gehen wird. Für Ratel könnte mit der GT3 alles so einfach sein – ist es aber dank der GT1 nicht.