Imola: Im Wohnzimmer von Ferrari

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Sommertrip „dort unten“ in Imola: Das LMS- und ILMC-Gefolge schlägt am ersten Juliwochenende seine Zelte im Autodromo Enzo e Dino Ferrari auf. Zu den Besonderheiten des oberitalienischen Kurses zählt die Fahrtrichtung gegen den Uhrzeigersinn und die berüchtigte Tamburello-Kurve.

Die Sportwagengemeinde verschlägt es zu Sommerbeginn einmal mehr in den Süden Europas. Im nunmehr achten Jahr der Prototypen- und GT-Serie bricht der LMS-Tross gen Italien auf und begibt sich in die Ferrari-Hemisphäre nach Imola. Im Autodromo Enzo e Dino Ferrari – der Heimstätte des italienischen Rennpferdes – macht die Le Mans Series Halt zum dritten Wertungslauf, welcher überdies zum Intercontinental Le Mans Cup zählt.

Der Anno 1952 eröffnete Kurs im oberitalienischen Emilia-Romagna misst in seiner derzeitigen Form 4,933 Kilometer und umfasst 16 Kurven. Zudem gehört die Ferrari-Hausstrecke zu den wenigen Bahnen, welche entgegen den Uhrzeigersinn gefahren werden. Seinen Namen verdankt der über ein halbes Jahrhundert alte Asphaltstreifen den Ferrari-Ikonen Enzo und Dino Ferrari. Ursprünglich benannte Enzo Ferrari das Autodrom nämlich nach seinem früh verstorbenen Sohn Alfredo „Dino“ Ferrari. Als Enzo schließlich selbst das Zeitliche segnete, wurde die Strecke neuerlich umgetauft in „Autodromo Enzo e Dino Ferrari“.

Außerdem: Wegen seiner geographischen Nähe zum Zwergstaat San Marino und da lediglich ein Grand Prix pro Nation stattfinden darf, lief die Formel-1-Station in Imola unter dem Banner Großer Preis von San Marino.

In seine Ursprungsform wies das Autodrom im Großen und Ganzen die Charakteristiken eines Hochgeschwindigkeitskurses auf. Ein bezeichnendes Merkmal war die Tamburello-Parabolika am Ende der Start-und-Ziel-Geraden, welche mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h durchfahren wurde und in ein weiteres Geradeausstück mündete. Dementsprechend barg diese Passage hohe Risiken, was ein verheerender Unfall beim Großen Preis von San Marion in 1984 quittierte. Gerhard Berger segelte beim Ansteuern auf die berüchtigte Tamburello-Kurve schnurstracks gegen die Leitplanken, weshalb sein Ferrari-Bolide in Flammen aufging.

Allerdings entpuppte sich dieses Intermezzo lediglich als Vorbote für ein schwarzes Wochenende in der Motorsportgeschichte. Eine halbe Dekade später verunglückten sowohl Roland Ratzenberger und Ayrton Senna beim san-marinesischen Grand Prix tödlich. Beide Formel-1-Piloten wurden Opfer der Tamburello-Parabolika, weshalb einmal mehr ein Ruck durch die Rennsportgemeinde ging. Das Schicksal der beiden Fahrer reaktivierte unter anderem die Grand Prix Drivers‘ Association – eine Fahrergewerkschaft der höchsten Formelklasse – und kann als Initialzündung etlicher weiterer Sicherheitsmaßnahmen im Automobilsport gesehen werden.

Die Verantwortlichen ergriffen unverzüglich adäquate Maßnahmen und veranlassten einen Umbau der Tamburello-Kurve in einen erheblich langsamere Schikane, welche seitdem eine S-Gestalt zeichnet. Zum Ende des Jahres 2006 wurde das Autodromo Enzo e Dino Ferrari neuerlich umfangreichen Umbauarbeiten unterzogen. Einerseits wurde die Auslaufzone der Tamburello-Schikane ausgeweitet, andererseits mündet die Rivazza seitdem in eine Kombination aus schnellen Kurven anstelle der Variante-Bassa. Diese Passage kann demnach nahezu Vollgas gefahren werden, bis die Tamburello-Schikane das Tempo der Akteure drosselt. Überdies wurde ein neuer Boxenkomplex konstruiert.

Seit drei Jahren hat außerdem ein neues Management das Heft in die Hand genommen, das den Namen des Geländes kurzerhand nochmals erweitert hat: „Autodromo Enzo e Dino Ferrari di Imola“. Nichtsdestoweniger erteilte die FIA dem fast fünf Kilometer messenden Kurs lediglich eine 1T-Lizenz, die sämtliche Meisterschaften ausschließlich der Formel 1 genehmigt. Seinen ersten großen Comeback-Auftritt im internationalen Rampenlicht hatte das Autodrom in Imola im Rahmen der FIA-Tourenwagen-Weltmeisterschaft. Zum Anbruch des neuen Jahrzehnts empfängt der oberitalienische Schauplatz am kommenden Wochenende nun den Intercontinental Le Mans Cup und die Le Mans Series.

„Dort drüben“ in Imola

Die Stadt Imola selbst zählt knapp 70.000 Einwohner und ist somit in puncto Einwohner die zweitgrößte in der Provinz Bologna. Die Wurzeln der Stadt sind in der Antike zu suchen, wenngleich bereits Jahre zuvor erste Siedlungen in dieser Region entstanden. Damals trug die Ortschaft noch den Namen „Forum Cornelii“, welchen ihr der Gründer Lucius Cornelius Sulla gab. Allerdings wurde die Stadt im sechsten Jahrhundert durch die Langobarden zerstört. Nach dem Wiederaufbau erhielt die Gemeinde den Namen Imola, was frei übersetzt bedeutet „dort drüben“ oder „dort unten“. Die Namensgebung lässt sich wohl auf die malerische Hügellandschaft, welche den Ort umgibt zurückführen.

Ein halbes Jahrtausend ging ins Land, bis Imola schließlich freie Stadt wurde und infolgedessen jedoch unter die Herrschaft des rund 40 Kilometer nordwestlichen liegenden Bologna fiel. Im weiteren Verlauf der Geschichte lief die Visconti von Mailand diesen Rang ab, später wurde Imola Teil des päpstlichen Kirchenstaats. Im Jahr 1861 integrierte das Königreich Italien schlussendlich die Stadt Imola.

Indes verweilte Leonardo da Vinci einige Zeit in der oberitalienischen Ortschaft, um Stadtpläne zu erstellen. Auch in jüngster Vergangenheit hat die Karriere einiger prominenter Persönlichkeiten ihren Ursprung in Imola genommen – insbesondere im Bereich Motorsport. Mit Fausto Gresini kommt beispielsweise ein Motorradfahrer aus Emilia-Romagna. Außerdem wurde Scuderia-Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali im Jahre 1965 in Imola geboren, was die Rolle des italienischen Konstrukteurs als Gastgeber unterstreicht.