GTE: Corvette gewinnt nach Achterbahnfahrt der Gefühle

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In der neu formierten Grand Tourismo-Riege, der ehemaligen GT2, rollten insgesamt 28 Fahrzeuge an den Start. Davon in der Unterkategorie der Profis 18 Wagen und bei den Amateuren zehn. Trotz einer fast verloren geglaubten Führung nach anfänglicher Überlegenheit triumphierte Corvette in beiden Divisionen.

Für die 79. Austragung des 24-Stunden-Klassikers nannten BMW, Ferrari, Porsche, Corvette, Aston Martin, Lotus und Ford jeweils ein Kontingent an Fahrzeugen, vertreten durch diverse Teams. Von diesen Teams konnte man zweifelsohne im Vorhinein AF Corse, JMW Motorsport, Luxury Racing, Farnbacher Racing (alle Ferrari), Felbermayr-Proton, Prospeed Competition, IMSA Performance Matmut, Flying Lizard (alle Porsche), BMW Motorsport und Corvette Racing zum Favoritenkreis bei den Profis zählen. Dieser bestand somit aus 14 Sportwagen.

In der Amateur-Abteilung waren die Favoriten hingegen schwerer ausfindig zu machen. Durch mindestens einen Herrenfahrer in jedem Team bestand annähernd eine Chancengleichheit. Durch die Trainingsbestzeiten hatten sich jedoch die Teams AMR Middle East und Larbre Compétition als starke Herausforderer herauskristallisiert.

Der Favoritenrolle wurde das BMW-Gespann um Augusto Farfus letztlich in der Startaufstellung gerecht. Der M3 belegte Startplatz eins vor einer Reihe hochkarätiger Konkurrenten aus dem Hause Ferrari und Porsche. In der GTE-Am-Klasse konnten sowohl AMR Middle East als auch Larbre die im Training gezeigten guten Leistungen nicht bestätigen. Von Platz eins ging daher ein Ferrari von AF Corse vor einem Felbermayr-Porsche ins Rennen.

Zweikämpfe auf Biegen und Brechen in der Startphase

Nach traditionellem Le-Mans-Start erfolgte der Rennstart, wie gewohnt, fliegend. Die beste Ausgangslage von Startplatz eins konnte dabei der BMW rund um „Gustl“ Farfus sich jedoch nicht zu Nutze machen. Er verlor seinen Platz gleich am Start an den AF Corse-Ferrari und eine Corvette. Jedoch attackierte der #55 BMW in der ersten Rennstunde unablässig die Führung seiner beiden Kontrahenten. Auch dahinter entwickelten sich weitere Positionskämpfe. Diese nahmen beim ersten Ausrücken des Safety-Cars ein jähes Ende. Auslöser dafür war das Überholmanöver von Allan McNish gegen seinen Teamkollegen im #1 Audi, bei dem er einen Ferrari aus der GTE-Am übersah und dieser den Wagen von McNish am Heck streifte.

Mit Beginn der Safety-Car-Phase holten die Strategen vieler GTE-Teams ihre Protagonisten zum Boxenstopp herein. Diese Entscheidung erwies sich später als falsch, denn laut Reglement gibt es in Le Mans drei Safety-Cars, die das Feld abfangen. Die Boxengassenausfahrt wird daher nur geöffnet, wenn eines der Safety-Cars gerade daran vorüberfuhr. Dieses Schicksal wurde einem Großteil der GTE-Spitze zu diesem Zeitpunkt zu Teil. Sie warteten in der Boxengasse und mussten die führende #74 Corvette von Jan Magnussen ziehen lassen, die auf der Strecke blieb.

Corvette fährt allen davon

Der US-Sportwagen zeigte zum ersten Mal seine wahre Leistung in Le Mans und konnte sich nach dem Neustart weiter vom Feld absetzen. Ein klarer Verfolger konnte indes nicht ausfindig gemacht werden, da sich die weiteren GT-Sportwagen in Kämpfe verstrickten oder durch technische Gebrechen an einer Aufholjagd gehindert wurden. So führten Reifenschäden an beiden BMW und dem Porsche von Felbermayr zum Zurückfallen jener Wagen.

Im späteren Verlauf sollte sich die führende Corvette einen Rundenvorsprung herausfahren. Doch dahinter ging es auch zur Rennhalbzeit unvermindert heiß zur Sache. Nach zwölf Stunden lagen die ersten vier Corvette-Verfolger noch in einer Runde. Die Kampfgruppe wurde vom AF Corse-Ferrari von Toni Vilander vor der zweiten Werkscorvette von Tommy Milner angeführt. Mit Respektabstand auf Rang sechs arbeitete sich der bessere der beiden BMW nach vorn.

Zweiter Audi Unfall, zweite Ferrari-Beteiligung

Auch diese Kämpfe sollten abrupt durch die zweite Safety-Car-Phase des Rennens gestoppt werden. Abermals kollidierte ein Audi R18 mit einem Ferrari 430 aus der GTE-Am-Klasse. Diesmal geschah der Unfall jedoch im deutlich schnelleren Streckenabschnitt zwischen Mulsanne und Indianapolis. Der von Mike Rockenfeller im Audi zu überrundende #71 Ferrari erwischte, parallel zum ersten schweren Unfall, auch den #1 Audi am Heck, der dann mit rund 300 Kilometern pro Stunde mit der Mauer kollidierte. Wieder stand nicht nur den GTE-Startern eine einstündige Safety-Car-Phase bevor.

Indes war die Amateurkategorie fest in Hand von Porsche-Protagonisten. Dies lag nicht nur daran, dass sich die Verfolger zum Teil durch Dreher und Ausflüge in die westfranzösische Botanik selbst an einer besseren Platzierung hinderten. Eingesetzt wurden die Porsche 997 GT3 RSR vom US-amerikanischen Team Flying Lizard Motorsports und der französischen Equipe Larbre Compétition.

Im weiteren Verlauf der Nacht konnte die führende Corvette sich weiter vom Rest absetzen. Ihr Vorsprung betrug bis zu drei Runden. Dahinter tat sich allerdings wenig, womit der erste Platz unangetastet blieb. Auch bei den Amateuren bleibt außer mehreren Drehern, Besuchen im Kiesbett und ein paar Mauerberührungen nichts weiter zu vermelden. Aus der Nacht herausfahren konnten der Farnbacher-Ferrari (Motorschaden), der #64 Lotus (Verlust eines Rades), der Gulf AMR, der #88 Felbermayr-Proton-Porsche (beide Unfall), der #71 Ferrari 430 und der #59 Luxury-Ferrari (beide Getriebeschaden) hingegen nicht.

Im Morgengrauen rückte das Sicherheitsfahrzeug zum vierten Mal aus. Erstmals ausgelöst einzig durch einen GTE-Vertreter. Dieser war jener #59 Luxury Racing-Ferrari 458 Italia, gefahren von Stéphane Ortelli, der auf der Strecke ausrollte.

Zu diesem Zeitpunkt lag die #74 Corvette weiterhin in Führung. Drei Runden dahinter reihten sich der AF Corse-Renner von Giancarlo Fisichella und die zweite Corvette ein. Auf den weiteren Plätzen lag der IMSA Performance-Porsche im BMW-Sandwich zwischen den Startnummern 55 und 56. Alles schien auf einen Sieg des souverän Klassenführenden hinauszulaufen. Auch in der Amateurkategorie hatte ein Wagen dieses Fabrikats, das sein 100. Bestehen feierte, die führende Rolle übernommen.

Worst Case für das amerikanische Gespann

Doch dann folgte der Super-GAU, aus der Sicht der US-Boys von Corvette. Mit Anbruch des Sonntagvormittags wurde die Führung mit einem Schlag zu Nichte gemacht. Am Steuer saß wieder Jan Magnussen. In den Porsche-Kurven lief er auf den GTE-Am-Porsche, gefahren von Horst Felbermayr Senior, auf. Am Ausgang der Parabolika leitete Magnussen das Überrundungsmanöver ein. Doch der Routinier verschätzte sich, kam mit dem rechten Hinterrad auf den Curb, verlor das Heck seines Arbeitsgerätes, welches dann die Seite des Porsche erwischte. Der US-Sportwagen drückte dann den Zuffenhausener Renner in die Mauer, von welcher beide abprallten und die den Wagen mit Horst Felbermayr, der nur noch Passagier war, in die gegenüberliegende Bande schickte. Die Corvette des Dänen blieb im Kiesbett neben der Boxengasseneinfahrt mit Totalschaden liegen. Auch dies erforderte ein erneutes Ausrücken des Safety-Cars für rund eine Stunde.

Somit übernahm der #51 Ferrari aus der Lauerstellung heraus die Führung. Jedoch war der Vorsprung auf die verbliebene Corvette nicht groß. Der Platz des Ferrari begann mit jeder weiteren Rennstunde mehr zu wackeln. Auf Platz zwei pirschten sich Olivier Beretta, Tommy Milner und Antonio Garcia zunehmend an den roten Renner aus Maranello heran. Weiterhin mit Respektabstand dahinter auf dem Bronzerang Dirk Müller, dessen Schwesterfahrzeug hingegen einen weiteren Reparaturstopp über sich ergehen lassen musste. Doch auch der dritte Rang des BMW war nicht sicher, da die Vorjahressieger im Felbermayr-Porsche einen Anspruch darauf erhoben. Dieser hatte sich jedoch später durch einen weiteren Reifenschaden erledigt.

Nieselregen, Elektronikprobleme, Corvette übernimmt Spitze

An der Spitze lief alles auf einen Zweikampf zum Ende des Rennens hinaus. Zu allem Überfluss zog zu diesem Zeitpunkt der bereits prognostizierte Regen auf. Auch wenn es nur schwacher Nieselregen war, reichte dies, um die Strecke zu einer Rutschpartie zu machen. Dies und Elektronikprobleme am bis dato Führenden spülten die verbliebene Corvette auf Rang eins. Am Steuer wechselten sich allerdings nur noch Tommy Milner und Antonio Garcia ab. Olivier Beretta erlitt hingegen eine Abgasvergiftung während einer Safety-Car-Phase. Nach dem Neustart wurde dem Monegassen am Volant übel und er touchierte die Streckenbegrenzung.

Bis zur Zielankunft veränderte sich das Bild nicht mehr drastisch. Die Corvette mit Beretta, Milner und Garcia siegte vor dem AF Corse-Ferrari von Vilander, Fisichella und Bruni. Den letzten Podiumsrang sicherte sich das #56 BMW-Gespann von Priaulx, Müller und Hand. Die Zielflagge sahen neun von 18 Wagen.

In der Amateurdivision sicherte sich die Larbre-Mannschaft einen Doppelsieg, in der Reihenfolge Corvette vor Porsche. Einen sensationellen dritten Rang verbuchte der Ford GT des Ehepaares Robertson, unterstützt von David Murry. Dieser profitierte jedoch von einem technischen Defekt des bis dahin drittplatzierten JMB-Ferrari, der dann noch die letzte Runde fuhr und somit gewertet wurde. Weitere Zielankünfte gab es in der GTE-Am nicht.