DTM: Empörung über Skandalrennen auf dem Norisring

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Die Motorsportszene reagiert mit Empörung auf den Beschluss des DMSB-Berufungsgerichtes. Mattias Ekström wird endgültig von der Wertung ausgeschlossen, aber keiner geht als Sieger vom Platz. Selbst Walter Röhrl kommentiert den Eklat. Dabei geriet das Norisring-Rennen zu einem anderen Zeitpunkt zur Posse.

Die ITR strebt derzeit eine Expansion jenseits des Atlantiks und im pazifischen Raum an – ein amerikanisches DTM-Pendant und eine Kooperation mit der japanischen Super-GT-Serie. Doch zugleich verspielen die Veranstalter der deutschen Tourenwagen-Meisterschaft zahllose Sympathien bei den Anhängern. Denn das Skandalrennen auf dem Norisring und dessen juristischen Folgen stößt vielerorten auf Empörung. 

Selbst zweieinhalb Wochen nach dem Gastspiel auf dem Nürnberger Stadtkurs erhitzt der Halbzeitlauf noch die Gemüter der Rennsportgemeinde. Denn am Dienstagabend dieser Woche bekräftigte das DMSB-Berufungsgericht den Ausschluss Mattias Ekströms aus der Wertung, welcher das Gefecht im Leitplankenkanal am Dutzendteich gewann. Doch die Begründung ist gleichermaßen kurios wie die Vorgeschichte der Audi-Disqualifikation. 

Gemäß Artikel 44 des sportlichen DTM-Reglements verstieß der Schwede offenbar gegen die Parc-fermé-Bestimmungen. In besagtem Passus steht im Wortlaut geschrieben: „Es sind jegliche technischen Änderungen am Fahrzeug untersagt. Es ist auch verboten, während der Fahrt von der Strecke in den Parc fermé, Materialien oder Substanzen vom Fahrzeug zu entfernen oder dem Fahrzeug hinzuzufügen.“ 

Sieg „unter sportlich einwandfreien Bedingungen“

In den Augen mancher Beteiligter verstieß Ekström jedoch im Anschluss an das Rennen an diese Vorgaben. Sein Vater Bengt Ekström übergoss den Overall seines Sprösslings mit dem Inhalt einer Wasserflasche, woraufhin dem Schweden vorgeworfen wurde, das Körpergewicht vor dem Wiegen erhöhen zu wollen. Der Videobeweis zeige den obskuren Tathergang. Die Sportkommissare reagierten postwendend auf diesen Regelverstoß und disqualifizierten den Audi-Piloten. 

Allerdings legte der Ingolstädter Konstrukteur noch am selben Abend Berufung gegen diesen Beschluss ein. Audi scheiterte jedoch mit seinem Protest: Der DMSB bekräftige die Entscheidung der Rennkommissare und bestätigte den Wertungsausschluss. Aber die Irrwege der DTM sind unergründlich. Anstatt den zweitplatzierten Robert Wickens (Mercedes-Benz) zum Sieger zu erklären, bleibt das Klassement unverändert, da Ekström seinen Erfolg „unter sportlich einwandfreien Bedingungen“ erkämpft habe. Er hätte sich „keinen Wettbewerbsvorteil“ verschafft. 

Kurzum: Obwohl der Audi-Schützling auf faire Art und Weise seinen Laufsieg erfocht, disqualifizieren die Verantwortlichen den zweifachen DTM-Meister wegen einer schwammigen Formulierung im Regelwerk. Schließlich wird der Fahren in besagtem Paragraphen gar nicht erwähnt. Etliche Liebhaber des Motorsports reagierten mit Entsetzen. „Lächerlich“, kommentierte ein entrüsteter SportsCar-Info-Leser. „DTM ade, ich schaue nie wieder und viele meiner Freunde auch. Durch diese Aktion hat sich diese Serie absolut disqualifiziert!“ 

Kontroverse um blaue Flaggen

Dabei geriet des DTM-Rennen auf dem Norisring bereits in einem viel früheren Stadium des Wettbewerbs zum Possenspiel. Denn die Rennleitung lehrte an diesem heißen Sonntagmittag eine dubiose Flaggenkunde und machte von einer Regel Gebrauch, welche nach der Veranstaltung für Kontroversen sorgte. Da Gary Paffett (Mercedes-Benz) und Mike Rockenfeller (Audi) eine andere Strategie wählten und während einer Gelbphasen den ersten Pflichtstopp abwickelten, steckten die beiden Piloten vorerst im Verkehr fest. 

Sodann forderte die Rennleitung die Streckenposten auf, blaue Flaggen zu schwenken, damit der Rest des Teilnehmerfeldes, die Verfolger passieren ließ. Diese Vorgehensweise war faktisch eine Wettbewerbsverzerrung, weil sich Paffett und Rockenfeller im direkten Duell mit ihren Mitstreitern befanden; es handelte sich um keine Überrundung. Die anschließende Debatte um die freie Fahrt der Frühstopper förderte jedoch zutage, inwieweit das Reglement solch eine Anwendung vorsieht. 

In Paragraph 31, Absatz zwei steht im Wortlaut geschrieben: „Blaue Flaggen können außer bei Überrundungen auch dann gezeigt werden, wenn infolge von Pflichtboxenstopps erkennbar schnellere Teilnehmer auf langsamere auflaufen, wobei jedoch die unterschiedliche Anzahl der absolvierten Pflichtboxenstopps alleine keinen Grund zum Einsatz einer blauen Flagge darstellen.“

„Es geht mehr um Politik als um ehrlichen Rennsport“ 

Wenngleich die Regelhüter solch eine Handhabung festlegen, darf an dieser Stelle durchaus die Sinnhaftigkeit in Frage gestellt werden. „Das mit den Blauen Flaggen war äußerst dubios und komplett unverständlich“, kommentierte ein SportsCar-Info-Leser. Ein anderer fügte hinzu: „Eine echte Blamage für die DTM. Nächstens werden die Zuschauer gefragt, wer gewinnen soll, der wird dann nach Höhe der Stimmenzahl entsprechend nach vorn gewunken.“ 

Abgerundet wurde der ereignisreiche Rennsonntag in Nürnberg mit dem Zweikampf zwischen Mercedes-Benz-Fahrer Paffett und Audi-Rivale Edoardo Mortara, welches dem Duell zweier Führerscheinanfänger auf einer öffentlichen Landstraße glich. Nachdem sich Letztgenannter beim Anbremsen der Spitzkehre Ende der Start-Ziel-Geraden verschätzte und Paffett von der Bahn kegelte, revanchierte sich dieser wenige Kurven später. Der Brite rammte seinen Gegner mit aller Gewalt in die Streckenmauer. Die Rennleitung belegte diese Verhalten mit einer Strafversetzung in Moskau. 

Der Eklat auf dem Norisring veranlasste gar Rallye-Legende Walter Röhrl sich zur Causa Ekström zu äußern. „Ich hätte gesagt: Meine Herren, ihr könnt mich alle mal. Ich hätte meine Lizenz zurückgegeben und wäre heim gefahren“, erklärte der Regensburger gegenüber einer nicht unbekannten Boulevardzeitung. „Ein Fahrer entscheidet auf der Strecke in einer Hundertstelsekunde, was er macht. Und dann sitzen da hinterher ein paar Krautköpfe und suchen stundenlang nach irgendwelchen Fehlern.“ 

Nach der Bestätigung der Disqualifikation durch das DMSB-Berufungsgericht meldete sich Röhrl abermals zu Wort. „Das passt ja zu diesen Querköpfen. Das ist schlimm. Ich schaue ab sofort kein DTM-Rennen mehr. Das interessiert mich nicht mehr“, teilte die Rallye-Ikone selbigem Blatt mit. DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck drohte Röhrl zwischenzeitlich sogar mit Konsequenzen wegen seiner Kritik. „Wenn die so weitermachen, machen sie den Motorsport kaputt“, fügte Röhrl hinzu. „Man hat das Gefühl, dass es immer mehr um Politik geht und nicht mehr um ehrlichen Rennsport.“ Ein treffendes Schlusswort. Und ein Denkanstoß hinsichtlich der Expansionsbestrebungen.