Le Castellet: Startschuss auf moderner Teststrecke

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In Le Castellet treffen moderne Sicherheitskonzeptionen auf Ästhetik und Komfort. Auf dem so genannten Paul Ricard High Tech Test Track veranstaltet die Le Mans Series neuerlich ihre Auftaktrunde und erwacht aus dem Winterschlaf in ihre achte Saison.

Wer in den kalten Wintermonaten testen will, bricht vorzugsweise in den Süden in Richtung iberische Halbinsel auf. Als ein weiteres beliebtes Reiseziel hat sich der Paul Ricard High Tech Test Track im südfranzösischen Le Castellet etabliert. Unweit von der Côte d’Azur entfernt, gilt der im Département Var gelegene Kurs bis dato als eines der Sicherheitsvorbilder schlechthin und ist außerdem wegen seiner unzähligen Streckenvarianten eine der beliebtesten Anlaufstellen für letzte Einstellungsfahrten vor Saisonbeginn.

Nicht zuletzt die berüchtigte Mistral-Gerade macht den 5,81 Kilometer langen Asphaltstreifen auch für Mannschaften aus der Sportwagensektion attraktiv. Die endlos lang erscheinende Gegengerade misst insgesamt knapp zwei Kilometer und verschafft demgemäß optimale Bedingungen, um sich auf die hohen Geschwindigkeiten in Le Mans vorzubereiten. Deshalb bietet sich der Kurs seit jeher als Austragungsort der offiziellen Testfahrten der Le Mans Series an, welche in diesem Jahr an selbiger Stelle den Auftakt der achten Saison steigen lässt. Im Gegensatz zur vergangen Saison kehren die Organisatoren beim diesjährigen Aufgalopp wieder zum altbewährten Sechs-Stunden-Format zurück anstelle der achtstündigen Renndistanz.

Bedeutsamer Umbau nach Tod des Besitzers

Der Grundstein der heutigen, variablen Teststrecke wurde gelegt, als der französische Unternehmer Paul Ricard im Jahre 1962 zwischen Toulon und Marseille 1.000 Hektar Land erwarb. Zunächst ließ der Hersteller von Pastis, einer Spirituose aus Anis, auf dieser Hochebene in der Provence ein privates Fluggelände errichten, welches vom Sommer 1969 bis zum Frühjahr 1970 jedoch um eine Rennstrecke ergänzt wurde.

Am 19. April 1970 wurde der damalige Circuit Paul Ricard schließlich im Rahmen eines Sportwagenrennens der Zwei-Liter-Division eröffnet und galt zu jener Zeit als Pioniersarbeit im Bezug auf die Sicherheit. Sowohl die in blau, gelb, rot und weiß gefärbten Randsteine als auch die weiträumigen Auslaufzonen aus Kies stellten im Motorsport damals eine Seltenheit dar.

In den siebziger und achtziger Jahren wurde der Kurs vorwiegend für Motorradveranstaltungen genutzt, war in dieser Zeitspanne allerdings auch Heimat des Großen Preises von Frankreich. Anschließend blieben jedoch weitere Investitionen aus, und der Besitzer verstarb im November 1998. Die Erben verkauften das gesamte Gelände für ungefähr elf Millionen US-Dollar an den französischen Betrieb Excelis SA, der zum Familienunternehmen von Bernie Ecclestone gehört und deren Geschäftsführer Philippe Gurdjian seitdem Direktor der Anlage ist und als erste Amtshandlung einen Umbau der Strecke veranlasste.

Sicherheitsvorbild mit unverwechselbarer Optik

Innerhalb von elf Monaten wurde der berüchtigte Kurs in einen modernen Komplex verwandelt, der sich seit der Neueröffnung im Oktober 2001 Paul Ricard High Tech Test Track (Kurzform: Paul Ricard HTTT) nennt und in Summe 179 Streckenvarianten umfasst. Dementsprechend variiert die Länge des zehn bis zwölf Metern breiten Asphaltstreifens zwischen 0,826 und 5,861 Kilometern, auf denen die Piloten wahlweise in 15 Rechts- und zehn Linkskurven gefordert sind.

Neben der Modifikation sowie der Ergänzung diverser Kurven, die samt der restlichen Strecke mit einem neuen Belag versehen wurden, hoben die Architekten auch das Sicherheitsniveau der Auslaufzonen. Anstelle von Kies umrandet die Fahrbahn seitdem eine gigantische Auslaufzone aus verschiedenen Asphaltschichten, die wie eine Schleifmittel auf die Reifen wirken. Die rot-blaue gefärbte Kennzeichnung jener Bereiche verleiht der Strecke obendrein eine einzigartige Ästhetik.

Insgesamt nehmen die Auslaufzonen 25 Hektar des Geländes in Anspruch und werden von einer Leitplanke abgegrenzt, welche mit elastischen Polyethylenblöcken gepolstert sind, um die Auswirkungen des Aufprall zu mindern – eine innovative Ausweichlösung zu herkömmlichen Reifenstapeln. Unter anderem solchen Errungenschaften verdankt der Paul Ricard HTTT eine FIA-Auszeichnung für eine vorbildliche Sicherheitskonzeption.

Da der ehemalige Circuit Paul Ricard nach seiner Restauration vornehmlich als Teststrecke fungierte, gingen die dortigen Veranstaltung samt und sonders unter Ausschluss der Öffentlichkeit über die Bühne. Erst im August 2006 öffneten die Streckenbetreiber ihre Tore für Zuschauer zu einem Lauf der FIA-GT-Meisterschaft. Dennoch war das Kontingent limitiert – lediglich 1.000 Karten landeten im Verkauf. Beim Auftritt der Le Mans Series sind die Kassen jedoch für jeglichen Besucheransturm gerüstet.