GT1-WM: Noch immer ein Haufen Fragezeichen

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Die Lage in der FIA-GT1-Weltmeisterschaft ist noch immer undurchsichtig. Erst zwei Drittel der derzeit nur 16 verfügbaren Cockpits sind vergeben, der Weltmeister scheitert an der Bürokratie. SportsCar-Info.de beleuchtet die aktuelle Lage bei den einzelnen Teams.

Zwar ist schon einige Zeit vergangen, seit die offizielle Nennliste von der FIA veröffentlicht worden ist und der Saisonstart liegt nur noch drei Wochen entfernt, doch die Fragezeichen sind noch immer nicht weniger geworden. Mit gerade mal 16 eingeschriebenen Fahrzeugen ist das absolute Minimum an Fahrzeugen erreicht. Nicht nur im Hinblick darauf, dass diese Grenze als unterste Schwelle von der FIA festgelegt worden ist, sondern auch für die Optik, wenn das Starterfeld auf die erste Kurve zurast. Das Problem der Meisterschaft ist nicht das mangelnde Interesse, sondern die unfassbare Bürokratie der FIA.

Das beste Beispiel dafür bietet der Weltmeister: Michael Bartels und sein Vitaphone-Team stehen mit zwei topvorbereiteten Maserati MC12 da. Das Unternehmen „Titelverteidigung“ scheitert jedoch derzeit an einer Hürde, für die das Team gar nichts kann: Der zweite Rennstall, Triple H Hegersport, musste nach einer Saison dicht machen. Das Regelwerk der FIA besagt jedoch, dass vier Fahrzeuge von einem Hersteller am Start sein müssen. Mit einer Regel, deren Schwachsinn nicht in Worte zu fassen ist, hat sich der SRO selbst ins Bein geschossen. Die Hoffnung hat Bartels jedoch noch nicht aufgegeben; die Vorbereitung läuft in Herborn auf Hochtouren. Im Sinne der Serie, die derzeit um jedes Fahrzeug kämpfen muss, kann man nur hoffen, dass sich der gesunde Menschenverstand gegen die Paragraphenreiterei durchsetzt.

Erfreulicher sieht die Lage bei Aston Martin aus: Als einzige Marke kann der britische Nobelhersteller bereits vier Fahrzeuge mit acht Fahrern vorweisen: Die Einsätze übernehmen wie im Vorjahr die Teams Young Driver und Hexis AMR. Die Franzosen verloren ihren Topfahrer Frédéric Makowiecki, konnten jedoch den GT3-Europameister Christian Hohenadel verpflichten, der sich das Cockpit mit Andrea Piccini teilen wird. Für Aufsehen sorgte die zweite Neuverpflichtung: Rookie Stef Dusseldorp (NL), bislang im ATS Formel-3-Cup für van Amersfoort Racing unterwegs, wird dem erfahrenen Clivio Piccione zur Seite gestellt. Piccione ist nun seinerseits erstmals vor die Aufgabe gestellt, den Part des erfahreneren Piloten im Team zu übernehmen. Mit der Fahrerwahl ist man jedenfalls ein ordentliches Risiko eingegangen. Ob es sich auszahlen wird, wird die Saison zeigen. Bei Young Driver AMR setzt man auf Konstanz: Stefan Mücke und Darren Turner spannen auf einem Fahrzeug zusammen, den anderen DB9 teilen sich Tomas Enge und Neuverpflichtung Alex Müller. Beide Paarungen erscheinen sehr schlagkräftig und werden auf den Titel angesetzt.

Weniger erfreulich schaut es bei Lamborghini aus: Zwar haben sich mit Swiss Racing und Münnich (vergangene Saison unter dem Label All-inkl.com am Start) zwei Einsatzteams gefunden, doch in beiden Fällen steht erst ein Fahrer fest: Marc Basseng wird bei den Sachsen wie schon in der vergangenen Saison ins Lenkrad greifen. Die anderen drei Fahrerplätze sind noch offen. Nicht anders sieht es bei Swiss Racing aus: Nach der desaströsen Nissan-Saison hat man die GT-R zurück nach England geschickt und sich zwei Lamborghini Murcielago LP670 R-SV zugelegt. Mit Sicherheit geschah dies auf Druck der Sponsoren, die sich vom Reiter-Fabrikat bessere Chancen erhoffen als vom wuchtigen Nissan. Doch bis auf Karl Wendlinger, der dem Team trotz der enttäuschenden Saison 2010 treu bleibt, konnte man noch keinen Fahrer bekannt geben. Über Lamborghini schweben also noch die meisten Fragezeichen.

Die Lage bei Nissan macht einen äußerst stabilen Eindruck. Sumo Power muss nach dem Umstieg von Swiss Racing nun vier Autos einsetzen. Das ist zwar nicht im Sinne der GT1-Erfinder, erfüllt aber die Vier-Fahrzeuge-Regel der FIA. Das offizielle Team Sumo Power wird dabei mit Ricardo Zonta und Enrique Bernoldi an den Start gehen. Beide Piloten können auf Formel-1-Erfahrung zurückgreifen und waren vergangene Saison gut dabei, aber in den seltensten Fällen ganz vorne. Das zweite Cockpit muss noch besetzt werden; zu diesem Zweck testet Nissan derzeit zwölf Fahrer in Katar. Das neu gegründete Team JRM, das jedoch als Ableger des Sumo-Power Teams zu verstehen ist, hat seine Fahrzeuge bereits besetzt: Mit Michael Krumm und Lucas Luhr im einen, sowie Richard Westbrook und Peter Dumbreck im anderen Nissan GT-R ist die Zielsetzung klar: Mit vier Topfahrern möglichst viele Siege und den Titel einfahren. Nissan steht unter Erfolgsdruck; schließlich ist dies ein inoffizieller Werkseinsatz.

Auch bei Ford scheinen die Weichen gestellt zu sein: Nach dem Verkauf des Matech-Teams übernimmt 2011 nun das belgische Team Marc VDS den Einsatz der Ford GT1. Man geht hier denselben Weg wie Nissan und bringt zwei Teams an den Start, die jedoch zentral gesteuert werden. Das offizielle Marc VDS-Team hat bereits seine Fahrer bekannt gegeben: Bas Leinders und Marc Hennerici werden eine schlagkräftige Paarung bilden. Mindestens genauso stark ist die Besatzung Fréd Makowiecki/Maxime Martin einzuschätzen. Die Frage ist hier, wie schnell sich der Franzose auf den für ihn neuen Ford GT einstellen kann. Hennerici steuerte bereits den 2009er-Testräger von Matech, sodass drei von vier Fahrern mit ihrem Einsatzgerät bestens vertraut sein sollten. Der Marc VDS-Ableger Belgian Racing muss seine Cockpitbesatzungen noch bekannt geben.

Von der bulligen Corvette Z06 werden sich GT1-Fans wohl leider verabschieden müssen. Sowohl Phoenix als auch MadCroc litten bereits 2010 unter chronischer Unterfinanzierung; für 2011 hat sich kein Team mit dem GM-Modell eingeschrieben. Sang- und klaglos untergegangen sind unterdessen die 2010 angekündigten GT1-Projekte: Das noch am seriösesten anmutende Alpina-Projekt von Aurora scheiterte an den bereits angesprochenen Bürokratiehürden der FIA. Weil das Homologationsmodell Alpina B6 in der Serie nicht die erforderlichen Stückzahlen erreicht, wurde das Projekt abgelehnt. Ein Fehler, den man in Paris eventuell noch teuer bezahlen wird. Das Veritas-Projekt wurde von Anfang an kritisch beäugt – zurecht. Seit der vollmundigen Ankündigung, 2011 in der WM am Start stehen zu wollen, hat man nichts mehr gehört. Und in Japan weiß keiner mehr, was er will: Zunächst war geplant, den Lexus LF-A, der die vergangenen Jahre am Nürburgring ausgiebig getestet worden war, nach GT1-Standard aufzubauen. Zusätzlich sollte ein GT3-Projekt gestartet werden. Dann hieß es plötzlich, dass aus dem LF-A ein GT2 entstehen soll. Mittlerweile scheint die Toyota-Nobelmarke alle motorsportlichen GT-Pläne außerhalb Japans begraben zu haben. Das Hick-Hack der japanischen Automobilhersteller (ausgenommen: Nissan) tut dem gesamten Motorsport nicht gut.

Zum Schluss noch einmal alle Cockpitbesetzungen der eingeschriebenen Teams in der Übersicht:

Aston Martin
Young Driver AMR: Mücke/Turner; Enge/Müller
Hexis AMR: Piccione/Dusseldorp; Hohenadel/Piccini

Lamborghini
Swiss Racing: Wendlinger/offen; offen/offen
Münnich: Basseng/offen; offen/offen

Nissan
Sumo Power: Zonta/Bernoldi
JRM: Krumm/Luhr; Westbrook/Dumbreck

Ford
Marc VDS: Leinders/Hennerici; Makowiecki/Martin
Belgian Racing: offen/offen; offen/offen